NVTRISCO ET EXTING(V)O: Der Salamander Franz’ I. und das Edikt von Villers-Cotterêts – und Emmanuel Macron

Der Salamander ...

NVTRISCO ET EXTING(V)O (dt. ich nähre (mich davon) und lösche aus): Die lateinisch-italienische Devise1 von Franz I. taucht zusammen mit dem Feuer – das ikonographisch bisweilen auch als Wasser interpretiert wurde – spuckenden Salamander im Flammenkranz, seinem persönlichen Emblem, auf, lange bevor der erste Valois-Angoulême zum französischen König gekrönt wurde.

Der Salamander galt spätestens seit Aristoteles und Plinius als ein Tier von großer Giftigkeit,2 ein Wesen, über dessen Fortpflanzungs- und Lebensweise man nur spekulieren konnte.3 Er galt als geheimnisvoll und so verwundert es nicht, dass man ihm nicht allein die Fähigkeit andichtete, durch seine bloße Anwesenheit ein Feuer löschen zu können – was dann in der Folge als Fähigkeit, im Feuer leben zu können, ausfabuliert wurde –, sondern man sah in seinem Sekret, das ja augenscheinlich dem Feuer zu widerstehen vermochte, auch eine zerstörerische Kraft.4 Während Plinius in seiner Naturalis Historia auf der starken Giftigkeit des Salamanders beharrt, zweifelt er im Zuge seiner Ausführungen zunehmend an dessen Fähigkeit, Feuer zu löschen – immerhin sei der Schwanzlurch auch als Aphrodisiakum zu gebrauchen und entfache eher ein Feuer als dass er es lösche.5  Im Kapitel 'Vom Salamander' befasst sich der spätantike Physiologus in zwei unterschiedlichen Überlieferungssträngen mit dem späteren Emblem Franz’ I. Zum einen wird dort die, für den Physiologus typische, christlich-symbolische Deutung und exegetische Kontextualisierung des Tieres vorgenommen.6 In einer gesonderten, für den Physiologus thematisch eher unüblichen zweiten Überlieferung entfällt das christliche Element völlig (vgl. Physiologus 1998, 139), der Salamander wird als ein auf Sizilien lebender Vogel (!) bezeichnet und es wird beschrieben, wie er zu jagen sei.7  Es fällt dabei auf, dass die für Plinius so wichtig erscheinende Giftigkeit des Salamanders hier keine Rolle spielt, sondern allein die unhinterfragte ‚Tatsache‘ wichtig ist, dass er im Feuer lebe oder doch zumindest diesem Element zu widerstehen vermöge. Während für Augustinus das Überleben des Salamanders in den Flammen als Beweis dafür galt, dass auch der Mensch im Fegefeuer bestehen könne ohne zu verbrennen und diese Perspektivierung eine entsprechende Mirabilien-Rezeption erfuhr,8 verstand Marco Polo die Sache deutlich pragmatischer: Er berichtet von seiner Reise in die Provinz Chingitalas und der dort praktizierten Herstellung des Asbests als einer "Substanz von der Natur des Salamanders" (Lemke 1908, 157). Dabei macht Polo jedoch klar, dass es sich – entgegen manch anderer zeitgenössischer Annahme – beim Asbest nicht um den Salamander selbst bzw. um dessen Haare handelt, sondern um einen natürlichen Prozess bzw. um die Herstellung eines Artefakts. Die Existenz eines Tieres namens Salamander, das im Feuer lebe, negiert er, bezeichnet er als "favol[a]".9

Ein solchermaßen symbolbeladenes Tier, das damals in aller Bewusstsein und Munde war, sollte François d'Angoulême sein Leben lang begleiten. Doch hatte der spätere König Franz I. sich diese Amphibie nicht selbst als persönliches Symbol ausgesucht – sie diente bereits als Emblem für Franz' Vater, Charles de Valois (bzw. d'Orléans), Graf von Angoulême, sowie unter Umständen für seinen Großvater väterlicherseits, Jean de Valois. Allerdings gibt es hierbei einen entscheidenden Unterschied: während seine Vorfahren sich lediglich des Tieres zu (Selbst-) Repräsentationszwecken bedienten, tritt im Falle von Franz die bildliche Darstellung von Beginn an zusammen mit einem Motto auf.

Erstmals erscheint der Salamander zusammen mit Franz in einer auf das Jahr 1504 datierten Bronzemedaille. Das Artefakt wurde entweder von Franz’ Onkel, König Ludwig XII. oder aber von seiner Mutter, Louise de Savoie, in Auftrag gegeben: der junge Angoulême war zu diesem Zeitpunkt zehn Jahre alt, sein Vater bereits seit acht Jahren tot; seit 1501 wurde Franz als Thronfolger gehandelt (Knecht 1982, 6).10  Als ausführender Künstler der Medaille gilt – wenn auch nicht bezeugt – der italienische Gelehrte, Staatsmann und 'Hobbymedailleur', Giovanni di Candida, der sich zunächst am burgundischen Hof und in seinen letzten Lebensjahren bei den Valois verdingte;11 aber auch eine Herkunft des Artefakts aus Lyon ist denkbar und wäre demnach der Schule Candidas zuzurechnen.  Die künstlerisch anspruchsvolle Medaille, die sich heute im Bestand des Cabinet des Médailles der französischen Nationalbibliothek befindet, zeigt auf der Vorderseite ein Profilbild des Knaben, auf der Rückseite den Salamander im Feuer mit der italienischen Umschrift · NOTRISCO · AL BVONO · STINGO · EL REO · MCCCCCIIII.

Dieses Motto fand seine Anregung wohl in dem wenige Jahre zuvor erschienenen Werk Hypnerotomachia Poliphili des Francesco Colonna (Venedig 1499) (Gabriele o.J. a).  Zur Regierungszeit Franz’ (1515-1547) ebenso wie nach seinem Tod gab die Devise des Königs in humanistischen Kreisen nicht selten Anlass zu gelehrter Spekulation und Interpretation: zwar war man sich darüber einig, dass der König, der weithin bekannt war als Förderer der Wissenschaften und Künste, die ungebührlichen Leidenschaften – die 'schlechten Feuer' – zu löschen vermochte (auch was sich selbst betraf), jedoch gab es Interpretationsbedarf, worin genau die Tugenden des Königs (die 'guten Feuer') bestanden (Gabriele o.J. b). Im Laufe der Zeit wurde der Salamander Franz’ I. auch mit der Schlange assoziiert, wofür wohl dynastische Gründe eine Rolle spielten.12  Überhaupt scheint der König sich in außerordentlichem Maße mit seinem Emblem identifiziert zu haben: Der bekrönte Salamander Franz’ I. findet sich als omnipräsentes, dekoratives und (selbst-)repräsentatives bzw. (auto-)referentielles Element in vielen französischen Königsschlössern der Renaissance: in Fontainebleau (Galérie François Ier), in Villers-Cotterêts, im Trakt Franz’ I. des Stadtschlosses von Blois (während in den Trakten Ludwigs XII. dessen Wahrzeichen, das bekrönte Stachelschwein, vorherrscht). Ebenso in Franz’ Stein gewordenem Anspruch auf die Kaiserwürde oder doch zumindest auf die kulturelle Vormachtstellung in Europa: Chambord, wo sich mehrere Hundert Salamander tummeln – in Stein gehauen an Giebeln und Fassaden, gemalt oder stuckiert auf Zimmerdecken und Wänden, an Kaminen, auf Tür- und Fensterstürzen, an Treppenaufgängen und geschnitzt als Türknauf, auf Bilderrahmen oder als Relief auf Türen und Möbeln.

Für die frühneuzeitliche Nachwelt hat dies der geistliche Emblematiker Claude Paradin 1557 – zehn Jahre nach dem Tod des Königs quasi als Augenzeuge – dokumentiert, wenn er schreibt:

La Salemandre auec des flammes de feu, eʃtoit la Deuiʃe du feu noble & manifique Roy François, & außi au parauant de Charles Conte d'Angouleʃme ʃon pere. Pline dit que telle beʃte par ʃa froidure esteint le feu comme glace, autres diʃent qu'elle peut viure en icelui: & la commune voix qu'elle s'en paiʃt. Tant y ha qu'il me ʃouuient auoir vù une Medaille en bronze dudit feu Roy, peint en ieune adoleʃcent, au reuers de laquelle eʃtoit cette Deuiʃe de la Salemãdre enflammee, auec ce mot Italien: Nudriʃco il buono, & ʃpengo il reo. Et dauantage outre tant de lieus & Palais Royaus, ou pour le iourdhui elle eʃt enleuee, ie l’ay vuë außi en riche tapiʃʃerie à Fonteinebleau, acompagnee de tel Distique: Vrʃus atrox, Aquilæq’; leues, & tortilis Anguis: Ceʃʃerunt flammæ iam Salamandra tuæ.(Paradin 1557, 16-17)

Auch in anderen repräsentativen Bauten Frankreichs taucht der Salamander in mehr oder weniger großer Häufung, bisweilen mit, bisweilen ohne königlichen Wahlspruch auf: im Schloss von Cognac (dem Geburtsort von Franz I.) und dem dortigen Hôtel Rabayne, dem Haus der Amme Franz I., auch Maison de la salamandre genannt, an der Sainte Chapelle des Château de Vincennes, an der Fassade der Kathedrale von Senlis, an deren Bau Franz I. sich als Mäzen beteiligt hatte, im Loire-Schloss Azay-le-Rideau, am Hôtel Chabouillé in Moret-sur-Loing, das für den königlichen Steuereintreiber Nicolas Chabouillé in den 1520er Jahren errichtet wurde. Bei den letztgenannten Beispielen ist die Verwendung des Salamanders ein Bekenntnis der Bauherren oder Besitzer zu ihrem König – die Darstellung dieser Salamander musste dann ohne Krone auskommen, während das Emblem im Umfeld königlicher Bauten stets bekrönt und oftmals zusammen mit der Initiale F auftaucht, die für verschiedene Konzepte bzw. Referenten stehen konnte: für François (Franz) ebenso wir für France (Frankreich) oder foi (Glaube, der als Ausdruck einer direkten Verbindung der französischen rois très chrétiens und rois guérisseurs zu Gott gewertet wurde).

Im Wappen von Städten und Gemeinden, die eine besondere Beziehung zu Franz I. hatten, ist der Lurch (zumeist im Feuerkranz) ebenfalls dargestellt - manche dieser Wappen wurden allerdings erst viel später offiziell anerkannt: Belleville-en-Beaujolais (Franz verfügte persönlich über die Stadt, die er 1543 dem in den Italienfeldzügen für Frankreich kämpfenden Condottiere Pietro Strozzi für zehn Jahre zur Nutzniesung überließ), Chambord (die königliche Jagddomäne war seit dem Ende des 15. Jahrhunderts im Besitz der Krone), Fontainebleau, Le Havre (die Stadt wurde 1518 von Franz I. zunächst unter dem Namen Franciscopolis gegründet), Le Mesnil-le-Roi (Franz wuchs teilweise in dem zum Ort gehörenden Château de Vaulx auf), Magny-en-Vexin (Franz I. verlieh dem Ort die Stadtrechte), Montréal (Yonne; 1529 hielt Franz I. hier die États de Bourgogne ab), Romorantin (der Geburtsort von Franz’ Ehefrau, Claude de France), Vitry-le-François (der 1544 von den Truppen Karls V. zerstörte Ort Vitry-en-Perthois wurde auf Befehl Franz' 1545 in einiger Entfernung durch den italienischen Militärbaumeister Girolamo Marini, der seit 1536 in Diensten des französischen Königs stand, wieder aufgebaut, erhielt den Namenszusatz seines neuen Stadtgründers sowie dessen Wappen samt der Devise Nutrisco et extinguo) - und nicht zuletzt Villers-Cotterêts.

…das Edikt…

Nun bleibt Villers-Cotterêts untrennbar mit Franz I. verbunden, evoziert allerdings im kollektiven Gedächtnis der Franzosen nicht unbedingt das Bild des dort omnipräsenten Salamanders, sondern ist vielmehr ein starkes Symbol sprachlicher Identität, mithin eine der zentralen und oftmals als kanonisch empfundenen Episoden der französischen Sprachgeschichte. Dies mag ein wenig verwundern, wenn man bedenkt, dass die im August 1539 von Franz I. unterzeichnete Ordonnance de Villers-Cotterêts – jene 'Allgemeine Verordnung', die auch als Ordonnance Guillemine oder Guilelmine nach dem chancelier de France Guillaume Poyet bekannt ist – in ihren 192 Artikeln mehrheitlich Angelegenheiten der Justiz und der Verwaltung und nicht etwa der Sprache regelt. Und sie tut dies ganz besonders mit dem Ziel, die Macht der Kirche auf religiöse Angelegenheiten zu beschränken sowie im Gegenzug die staatlichen Verwaltungsbefugnisse auszudehnen und die Zentralisierung der Macht der Monarchie voranzutreiben (vgl. Art. 1–5, insb. Art. 4):

Art. 4. – Sans préjudice toutefois de la jurisdiction ecclésiastique ès-matières de sacrement et autres pures spirituelles et ecclésiastiques, dont ils pourront connoître contre lesdits purs laïcs selon la forme de droit, et aussi sans préjudice de la jurisdiction temporelle et séculière contre les clercs mariés et non mariés, faisans et exerçans états ou négociations, pour raison desquels ils sont tenus et ont accoutumé de répondre en cour séculière, où ils seront contraints de ce faire, tant ès-matières civiles que criminelles, ainsi qu'ils ont fait par ci-devant.

Weniger verwunderlich mögen allerdings diese Zusammenhänge erscheinen, wenn man bedenkt, dass die Ordonnance de Villers-Cotterêts als Geburtsurkunde des Französischen als offizielle Sprache der Verwaltung und Justiz in Frankreich betrachtet werden kann (vgl. Clerico 1999, 149 ff.). Dies umso mehr, als hier die Sprachenfrage eng mit dem festen Willen verknüpft zu sein scheint, einen sprachlichen Zentralismus durchzusetzen. Diese Sichtweise beruht auf der Annahme, dass die im Dokument für alle juristischen und administrativen Diskurstraditionen vorgeschriebene vernakulare Sprachform sowohl für den schriftlichen als auch für den mündlichen Bereich - le langage maternel françois - (vgl. Art. 110 und 111) in erster Instanz la langue du roi, also das Französische, sei:

Art. 110. – Et afin qu'il n'y ait cause de douter sur l'intelligence desdits arrêts, nous voulons et ordonnons qu'ils soient faits et écrits si clairement, qu'il n'y ait ni puisse avoir aucune ambiguité ou incertitude ne lieu à demander interprétation.

Art. 111. – Et pour ce que telles choses sont souvent advenues sur l'intelligence des mots latins contenus esdits arrests, nous voulons d'oresnavant que tous arrests, ensemble toutes autres procédures, soient de nos cours souveraines et autres subalternes et inférieures, soient de registres, enquestes, contrats, commissions, sentences, testaments, et autres quelconques, actes et exploicts de justice, ou qui en dépendent, soient prononcés, enregistrés et délivrés aux parties en langage maternel françois et non autrement.

Die Kampfansage gegen das Latein sowie gegen die anderen vernakularen Varietäten Frankreichs kann mit anderen Worten als eine Kampfansage gegen die Kirche und das dezentrale, letztlich noch mittelalterlich geprägte, sozial-politische Feudalsystem betrachtet werden. Allerdings wurden in jüngerer Zeit Stimmen in der Forschung laut, die langage maternel françois deutlich weiter fassen, nämlich als jegliches Vernakular, als "[…] toute langue ou variété de langue dont on use dans les provinces rattachées au royaume de France" (Clerico 1999, 150; Kursivierung im Original). Ähnliches liest sich bei Bernard Poignant: "[i]l est évident que le texte proscrit le latin. Mais il ne dit pas clairement quelle langue il faut utiliser, ou par laquelle il faut la remplacer" (Poignant 2000, 60).

Hervorzuheben ist für alle Kontexte, wie auch immer man langage maternel françois nun identifizieren mag, dass das Vorgehen gegen das Lateinische hier gerade auch in pragmatischer Hinsicht offensichtlich ist, wenngleich der Text mit seinen Forderungen wohl nichts gänzlich Neues hervorbringt, sehr wohl aber (mehr oder weniger) gängige Praxen in Form gießt und konsolidiert. So funktionierten neben dem Französischen (Parlement de Toulouse 1444, États de Guyenne 1470) auch Varietäten des oc-Bereichs (etwa das Gaskognische im Béarn) schon lange vor 1539 in der Verwaltung und im Notarswesen (vgl. Clerico 1999, 150 sowie Walter 1988, 95). Man tut also - zumal bei der Sichtung weiterer Dokumente - gut daran, den allzu exklusiven, allzu zentralistischen, allzu innovatorischen Charakter von Villers-Cotterêts zu relativieren:

Les études nombreuses menées sur les pratiques effectives (minutes notariales en particulier) nous enseignent tous les jours un peu plus que l’ordonnance de Villers-Cotterêts n’a au fond pas changé grand-chose à des situations fort variables, qui présentent tous les cas de figure possibles, en fonction des frontières linguistiques ou des réalités sociales.(Clerico 1999, 150)

An dieser Stelle drängt sich eine Parallele zur These von Serge Lusignan hinsichtlich der Verschriftung und Stärkung der Verschriftlichungstendenzen des mittelalterlichen Französischen auf. Ausgehend von der Idee, dass Diskurstraditionen und ihre Texte in oïl-Idiomen besonders früh respektive besonders zahlreich dort entstanden seien, wo sich das romanische Vernakular gegenüber anderen Vernakularsprachen behaupten musste (dies gilt für die Konkurrenz mit dem Germanischen im Falle der nordöstlichen und östlichen scriptae, wie etwa Wallonisch und Lothringisch, für das Angelsächsische im Fall des Anglonormannischen) - also an der Peripherie, an den frontières linguistiques - während sie im Zentrum des Sprachgebiets keiner direkten vernakularen Konkurrenz ausgesetzt waren und insofern die Konkurrenz durch das Lateinische im Distanzbereich länger hinnahmen (vgl. Lusignan 2012, 14 f., 21 ff.), ließe sich unter Umständen eine ähnliche Entwicklung für das français, langue de l’administration, ausmachen. Dort, wo sich bereits oc-Idiome in der nähe- wie distanzsprachlichen Praxis von Verwaltungssprachlichkeit etabliert hatten, funktionierte das Französische in diesem (zumindest distanzsprachlichen) Bereich, obwohl außerhalb seines damaligen realen Verbreitungsgebietes, wohl früher als im Zentrum:

Dans la zone provençale, l'expansion du français avant Villers-Cotterêts était un fait acquis, conséquence de la présence d'officiers royaux, de la nécessité d'établir des relations avec le pouvoir central, de la création du Parlement d'Aix (1501-1503), en dépit de quelques actes en provençal émanant de conseils municipaux [...]. Les notaires, selon toute probabilité, expliquaient oralement à leurs clients les tenants et aboutissants de leurs actes dans leur parler vernaculaire commun. Mais au niveau des < écritures >, le français était déjà devenu, même dans un grand nombre de régions méridionales, un instrument de communication plus largement intelligible que le latin.(Clerico 1999, 151)

Der Ordonnance kann insofern der Stellenwert einer Neuerung, wenn überhaupt, wohl nur für das alte Kerngebiet der französischen Krone zugeschrieben werden. Für die Randgebiete trifft dies wohl eher nicht – oder  zumindest nicht in dem gemeinhin postulierten Ausmaß – zu.

Zu diesem sprachlichen Faktor tritt ein sozialer: Wer an der Peripherie des Französischen das Französische benutzte, schien damit die Möglichkeit eines gesellschaftlichen Aufstiegs oder zumindest eines Vorankommens zu assoziieren: "La mobilité sociale, le désir d’accéder à un rang plus élevé dans la hiérarchie, ont amené les milieux de la magistrature et la bourgeoisie d’affaires à utiliser un parler qui était synonyme de réussite et de dignité. La pratique de la langue du roi est un moyen de se différencier socialement […]" (Clerico 1999, 151). Affinitäten zum König, der Krone, die sich im sprachlichen Bereich durch Sprachwahl manifestieren, durch einen bewussten Gebrauch des Französischen (vs. Latein und vs. andere Vernakularsprachen Frankreichs), lassen sich im Bereich der Heraldik durch den Salamander ablesen: Jenen Orten, jenen Gebäuden, zu welchen der König einen besonderen Bezug hatte, erlaubte er, wie wir oben bereits ausgeführt haben, sein persönliches Emblem im Wappen zu führen - oder er sorgte dafür, dass es gekrönt oder ungekrönt, weithin sichtbar im öffentlichen Raum erschien.

Was sich in der Repräsentation des seit dem Ende des Hundertjährigen Krieges massiv erstarkten französischen Königtums im öffentlichen Raum widerspiegelt, findet auch seinen Niederschlag in (sprach-)politischen Maßnahmen. Gerade die allmähliche Behauptung der Zentralgewalt gegenüber der Feudalordnung hatte dazu geführt, dass die lateinische Sprache ebenso allmählich durch die volkssprachliche Varietät der Île de France bzw. durch das sogenannte Zentralfranzösische (um den Ausdruck francien/Franzisch zu vermeiden) ersetzt wurde – durch jene Varietät des Pariser Hofes und der Stadt Paris, die zum Zentrum der Konvergenz und der Kontakte zwischen Menschen aus verschiedenen Regionen Nordfrankreichs geworden waren (vgl. Principato 2014, 26 ff.; zur Debatte um die Entstehung der zentralfranzösischen (Ausgleichs-)Varietät: Cerquiglini 1991, Lodge 1997, Lodge 2004, Grübl 2014). Dabei unterstützte eine neue Schicht von Rechtsgelehrten, ausgebildet an den juristischen Fakultäten der Universitäten in Paris und Montpellier, die Monarchie gegen die Interessen des Adels; auch gestehen die am italienischen Modell inspirierten (Vulgär-)Humanisten der Sprache des Königs die gleiche Würde wie dem Lateinischen zu; zugleich kann das französische Königreich seine Macht ausbauen und seine Autonomie konsolidieren.

Diese recht frühe Anbindung der Sprachenfrage an die politische Macht – die mit der Gründung der Académie française im 17. Jahrhundert noch deutlich an Bedeutung gewinnen wird – ist Schlüssel für das Sprachdenken in Frankreich und stellt zugleich eine Besonderheit im europäischen Panorama dar. Dies lässt sich feststellen, wenn man andere Länder Europas vergleichend heranzieht: während in den meisten europäischen Volkssprachen seit der Wende zum 16. Jahrhundert ausgehend von Italien Bemühungen um die Kultivierung und Normierung der Sprache unternommen wurden,13 nimmt die französische Sprachenfrage – und dabei insbesondere der aufkommende Sprachpurismus mit seinen antilateinischen und antidialektalen Absichten – in Frankreich schon früh radikalere und stärker von politischen Motiven geleitete Züge an als etwa an den vielen Höfen im dezentral organisierten Italien oder in Deutschland und scheint nicht zuletzt stark an andere Normierungsfelder der frühneuzeitlichen Kultur gebunden zu sein.

In diesem Rahmen wird evident, dass die Unterzeichnung der Ordonnance de Villers-Cotterêts weder der erste Angriff auf das Lateinische war, noch isoliert als Symbol betrachtet werden kann: Zunächst einmal übte schon im Mittelalter die königliche Chancellerie ihren Einfluss auf die Sprache aus und bevorzugte nicht selten die Volkssprache, nachdem sie in der Praxis einen kultivierten Stil und eine für die höchsten Anforderungen der Verwaltung geeignete – hochgradig ausgebaute – Form des Vernakulars entwickelt hatte (vgl. auch Fumaroli 1994). Weiter reiht sich die Ordonnance in eine Serie von anderen symbolischen Handlungen ein, die die Konstruktion der französischen nationalen Identität markieren. Ihr gehen u.a. die Gründung des Collège de France im Jahr 1530 und die Ordonnance d'Is-sur-Tille (1535) voraus, die vorschreibt, dass Rechtsakte "en françoys ou à tout le moins en vulgaire dudict pays" abgefasst werden müssen (vgl. u.a. Lodge 1997). Solche symbolischen Handlungen zeugen zweifellos von einem offiziellen, einem höfisch-königlichen Interesse am langage maternel françois:

Depuis le XVIe siècle, les questions soulevées par ce texte tiennent à l'ambiguïté fondamentale de la locution finale. Ou bien l'expression est restrictive: le "langage maternel françois", c'est la Iangue "françoise" (langue de la capitale et de l'Ile-de-France) a l'exclusion des dialectes et des langues régionales; ou bien c'est toute langue ou variété de langue dont on use dans les provinces rattachées au royaume de France. Dans le premier cas l'ordonnance aurait pour but, sous prétexte d'une amélioration des conditions d'exercice de la justice et sous couvert d'éliminer le latin, d'imposer insidieusement la langue du pouvoir et de faire reculer les parlers locaux. Dans le second cas, tout au contraire, loin d’exclure les dialectes, elle favoriserait leur usage.(Clerico 1999, 150)

Allerdings stellt sich die grundlegende Frage, inwiefern man hier schon von einer Sprachpolitik des französischen Hofes sprechen sollte oder inwiefern es eben doch 'nur' Ausdruck eines, wenn auch vielleicht gesteigerten, Sprachbewusstseins ist, das gleichgesetzt werden kann mit den Bemühungen eines Frankreich während der Spätrenaissance die kulturelle Vormachtstellung in Europa einzunehmen. Nicht zuletzt geschah dies auch durch die Berufung ausländischer Künstler an den französischen Hof (geradezu symbolisch hierfür steht ja das Wirken von Leonardo da Vinci am Hof von Franz I. in Amboise).  Auf Richelieu muss man eben noch warten: Erst mit der von ihm initiierten Gründung der Académie française als einer (zumindest halb-)staatlichen Institution, die die Behauptung und Durchsetzung der reinen, vom mauvais usage bereinigten langue du roi als ihre primäre Aufgabe versteht, werden die Normierung und die Normalisierung des Französischen sowie dessen sukzessive Verbreitung in Europa zu staatlichen (höfischen) Zielen erklärt (s. Dessì Schmid/Hafner 2016).

Neben den sprachhistorischen Ereignissen und Prozessen und ihrer Darstellung sollte aber auch die Frage nach der historiographischen, nach der epistemologischen Einordnung dieser Daten und ihrer Interpretation gestellt werden. Denn hier ergaben sich – gerade in der Sprachgeschichtsschreibung seit dem letzten Viertel des 19. Jahrhunderts – nur allzu oft Probleme, die dadurch zustande kamen, dass nationale Interessen des französischen Staates, der jungen Dritten Republik, mit den Ergebnissen ihrer Community of Investigators gleichgesetzt wurden (vgl. Hafner 2006). Villers-Cotterêts konnte in diesem Sinne fast nur auf die beiden sprachrelevanten Artikel der Ordonnance reduziert und in der Folge bis weit in unsere Zeit hinein (allzu) kanonisch im Sinne eines français, langue du roi - langue d’État fortgeschrieben werden. So lesen wir bei Brunot (Brunot 1906, 30 ff.):

Le 15 août 1539 paraît l'ordonnance de Villers-Cotterêts sur la réforme de la justice: elle stipulait, dans ses articles 110 et 111, que tous les actes et opérations de justice se feraient désormais en français. Entre cette décision prise par François Ier et les conseils de Seyssel [à Louis XII à "enrichir et magnifier" sa langue française], il se peut qu'il n'y ait aucune relation, même indirecte, de cause à effet. Seyssel était mort depuis 1520, et ses propositions étaient peut-être depuis longtemps oubliées. Toutefois j'ai peine à croire qu'aucune idée politique n'inspirait pareille mesure. Pas n'est besoin de réfuter l’interprétation vulgaire, d'après laquelle elle serait due à un caprice du roi lettré […]. Il est difficile aussi de s'en tenir aux motifs allégués dans l’ordonnance même qui invoque le besoin de clarté dans les discussions et les jugements. Si cette raison eût été la vraie, comment ordonnait-on l'abandon des parlers dialectaux? Pour les plaideurs de toute une partie du royaume, le français n'était pas moins une langue savante que le latin, et on le leur imposait sans réserve, même au criminel, contrairement aux tolérances des ordonnances antérieures; or aucune réclamation n'y put rien changer. Il est plus probable qu'on avait compris dans les conseils du roi que l'intérêt de l'État commandait l’unification de la langue qui devait faciliter l'unification de la justice, de l'administration et du royaume. L'idée était vraisemblablement depuis longtemps à l'état confus dans les esprits, puisque la chancellerie avait renoncé à toute autre langue, et que le rêve d'une loi unique en français avait déjà hanté Louis XI et peut-être Philippe le Long. Mais désormais elle s'était précisée assez pour qu'on voulût poser le principe dans la première des grandes ordonnances législatives, ébauche du code unique qui devait s'élaborer peu à peu. Quoi qu'il en soit, le pas décisif était fait; la langue était "hors de page", il y avait une langue d’État. Ce n'est pas à dire que d'un coup le français devint la langue du droit; dans les Universités on continua de l'enseigner en latin; les livres aussi restèrent longtemps en latin; des jurisconsultes persistèrent même à discuter la question. Mais ces résistances sont sans intérêt: par l'ordre du roi, le français entrait partout où était la vraie vie juridique; le reste importait peu. Désormais, et ce n'est pas là une des moindres conséquences de la réforme, il se développa dans le monde judiciaire, seule portion instruite des hautes classes, un goût très vif des lettres françaises; notre langue, pendant un certain temps au moins, profita grandement des soins qu'on eut d’elle dans le monde des Parlements, des recherches qu'on lui consacra, et même de l'usage qu'on en fit.

Eine gänzlich neue Sichtweise auf die französische Sprachgeschichte - und damit eine Relativierung auch des Dokuments von 1539 - fordert Paul Cohen in seiner programmatischen Schrift, die für eine contre-histoire de la langue française eintritt (Cohen 2012): nicht die kanonischen Daten, Ereignisse und Texte der klassischen, letztlich nationalphilologischen, französischen Sprachhistoriographie (vgl. u.a. Hafner 2006) sollten immer wieder aufs Neue zitiert werden und damit den Blick auf andere, von eben jener Sprachhistoriographie marginalisierte, Ereignisse der Geschichte des Französischen verstellen. Man solle - und man ist geneigt zu sagen: à rebours - eine neue Ära, eine andere Perspektivierung der Sprachgeschichtsschreibung des Französischen von den Rändern her, einläuten:

Il faut alors repenser l'histoire de la langue en France. En s'interrogeant sur les origines des nationalismes et des politiques linguistiques contemporains, le récit traditionnel fournit la réponse à une question mal posée; en prenant à témoin un corpus littéraire canonique, il s'appuie sur des textes écrits pour apporter une réponse à d'autres questions. (Comment glorifier le roi? Comment célébrer la langue française?) Ce procédé ferme la porte à une véritable reconstitution historique, car les réponses se trouvent déjà inscrites dans la question et le choix des sources [ein Phänomen, das Wulf Oesterreicher als 'invertierte Teleologie in der Sprachgeschichtsschreibung' identifizierte, vgl. Oesterreicher 2007, JH/SDS/DM]. Jeter les bases d'une histoire véritablement scientifique impliquerait non pas de rechercher les premiers balbutiements d'un nationalisme linguistique ou de discerner les premières traces d'un projet d'unification culturelle, mais plutôt de reconstituer le rapport entre politique et langue dans les termes que les habitants de la France moderne l'imaginèrent et le vécurent eux-mêmes. Un tel travail d'historicisation reposerait sur trois choix méthodologiques. Premièrement, prendre en compte la totalité de l'écologie linguistique de la France à l'époque moderne, c'est-à-dire la présence des divers parlers locaux à travers la France - le basque au Pays basque, le breton dans la partie occidentale de la Bretagne, l'occitan dans le Midi, le franco-provençal autour de Lyon et dans les Alpes, l'alsacien, le catalan et le flamand dans les régions nouvellement conquises aux XVIIe et XVIIe [sic!] siècles en Alsace et Lorraine, en Flandre et en Roussillon, ainsi que le latin, pratiqué dans les milieux ecclésiastiques, juridiques et savants. Deuxièmement, tenir compte de la spécificité de la France en tant qu'entité politique et territoriale, une monarchie dynastique dont les frontières bougent rapidement et de manière significative durant toute la période moderne. Troisièmement, lire les sources de façon critique, en les analysant dans leur contexte historique.(Cohen 2012, 124 f.)

Im Sinne von Thomas Krefeld ließe sich ein weiterer Punkt zu diesem Manifest für einen neuen Umgang mit der Sprachgeschichte hinzufügen: Viertens, die sprachhistorischen Quellen digital aufbereiten und sie auf diese Weise aus dem Elfenbeinturm eines (weitgehend geschlossenen) wissenschaftlichen Diskurses bzw. aus den Verliesen der Archive herausholen und an das Licht einer breiten Öffentlichkeit zu bringen (vgl. auch die Internetpräsenz von Thomas Krefeld). Jüngst erschien zu diesem Thema ein Artikel, den Krefeld zusammen mit Stephan Lücke zum Thema FAIRness im Umgang mit Daten und ihrer wissenschaftlichen Aufbereitung veröffentlichte (Krefeld/Lücke 2019). Dort werden die Herausforderungen der wissenschaftlichen medialen Neuerungen angesichts der Parameter "F_indable ('auffindbar'), A_ccessible ('zugänglich'), I_nteroperable ('kompatibel'), R_eusable ('nachnutzbar')" (Krefeld/Lücke 2019, 140) kritisch überprüft und die Anwendbarkeit der Kriterien auf aktuelle Forschungsprojekte (hier: das Münchner Projekt VerbaAlpina) dargestellt: "[Es ist die] Anwendung der [FAIR-Prinzipien] in den folgenden fünf komplementär angelegten und eng miteinander verflochtenen Funktionsbereichen zu unterscheiden: Dokumentation, Publikation, Kooperation, Datenerhebung durch crowdsourcing, Forschungslabor" (Krefeld/Lücke 2019, 141). Tatsächlich ist die Frage, wie wir unsere Forschungsergebnisse in Zukunft darstellen, aufbereiten und 'verwalten' wollen - gerade auch in Hinblick auf die Aufbereitung (sprach-)historischer Daten und Quellen - essentiell.

Doch kehren wir zurück zur Argumentation von Cohen. Mit den von ihm untersuchten Dokumenten beschreitet er Wege weit abseits des Mainstreams der französischen Sprachgeschichtsschreibung - und er kann etwa für das uns hier interessierende 16. Jahrhundert mit erstaunlichen Ergebnissen aufwarten. Exemplarisch zeigt er für den Gebrauch des Französischen in Avignon nach 1539, dass die von Franz I. propagierte Sprache dort nicht allein in Belangen der Stadtverwaltung gebraucht wird, sondern auch außerhalb des administrativ-juristischen Bereichs Anklang findet (vgl. Cohen 2012, 136 ff.). Es ist einerseits erstaunlich, dass die bisherige Sprachhistoriographie des Französischen eine Vielzahl (nicht nur) südfranzösischer Dokumente aus der Zeit nach Villers-Cotterêts nicht zur Kenntnis genommen hat, andererseits entspricht dieser Befund durchaus einer kanonisch argumentierenden und vom (vermeintlichen) Zentrum der Verbreitung des Französischen ausgehenden Episteme. Und dabei wären diese Dokumente Wasser auf die Mühlen jener, die von einem frühen Siegeszug des Französischen auch außerhalb des französischen Sprach- und im Falle von Avignon auch des französischen Staatsgebiets wie selbstverständlich ausgehen. Dass in der Stadt, die im 16. Jahrhundert nicht zu Frankreich, sondern zusammen mit der Grafschaft Venaissin zum Territorium des Heiligen Stuhls gehörte und insofern in Verwaltungsdingen nicht an die Weisungen des französischen Königs gebunden war, von den dort amtierenden Stadtoberen trotzdem das Französische verwendet wurde, sagt einiges über den damaligen Stellenwert des Französischen in der okzitanophonen Welt aus. In ihrer Sitzung vom 4. November 1540 beschließen die consuls de la ville einstimmig, dass die Protokolle der Ratsversammlungen nicht länger auf Latein angefertigt werden sollten, sondern "que dores en avant les conseilz seront escriptz et couches en Lengue vulgayre et francoyse" (zitiert bei Cohen 2012, 136). Cohen weist darauf hin, dass Avignon hier keinen Einzelfall darstellt, sondern dass "cette transition avignonnaise semble participer d'une tendance large, une transition linguistique globale au XVIe siècle durant laquelle la plupart des villes du sud de la France abandonnent le latin et l'occitan dans les registres de leurs délibérations et adoptent le français“ (Cohen 2012, 136. Vgl. auch seine Ausführungen zum Sprachgebrauch im Herzogtum Savoyen im 16. Jh.: Cohen 2012, 137 f.). Die Gründe für diesen Sprachwechsel sind also nicht politisch zu erklären, sondern sie waren - wie Cohen zeigen konnte - sozial bedingt: Während das Französische und sein Gebrauch wohl für nicht wenige Prestige versprach, stellte das Okzitanische für jene, die einen sozialen Aufstieg planten oder sich gesellschaftlich vom Rest ihrer Mitbürger abgrenzen wollten, zumindest im Distanzbereich keine Option mehr dar. So beklagte sich die confraternité des orfèvres aus Avignon im Jahr 1553, dass ihre Statuten in einer "langue barbare" verfasst seien (zitiert bei Cohen 2012, 137). Dies solle sich in Zukunft ändern und das Französische an die Stelle des Okzitanischen treten. Es wird schnell deutlich, dass eine solche sprachhistorische Quelle jenseits der ausgetretenen oder auch nur der bekannten Pfade - und für das Studium genau solcher 'abwegiger' Quellen plädiert ja Cohen in seiner Schrift - in doppelter Weise der Erwartbarkeit der Wirkung von Villers-Cotterêts entgegentritt: erstens entstand der Text der Goldschmiede außerhalb des politischen Wirkungsraums des Edikts von 1539, zweitens handelt es sich um keinen juristischen Text im eigentlichen Sinne, sondern um die Angelegenheiten einer Handwerkerzunft, die durch die Verwendung des Französischen ihrer sozialen Position - vielleicht auch in Abgrenzung zu anderen, als sozial niedriger verstandenen Handwerkern - Ausdruck verleihen wollte. Eine Nichtbeachtung solcher Quellen zugunsten eines gebetsmühlenhaften Wiederholens von bereits Untersuchtem (oder Gesagtem) aus dem erwartbaren Quellenhorizont muss einen solchen Blick auf die 'randständigen' Quellen also auch doppelt verstellen.

…und Macron

Doch nicht allein die Ausrichtung des Blicks auf die Dinge entscheidet über die Erkenntnisse, auch die Interpretation – bis hin zur gelegentlichen Verfälschung - von Daten und Zusammenhängen trägt, zur entsprechenden Wahrnehmung der Tatsachen und eventuell zu deren Konsolidierung im kollektiven Gedächtnis bei. So gab die französische Post im Jahr 1989 eine Briefmarke zum 450-jährigen Jahrestag der Ordonnance de Villers-Cotterêts heraus (vgl. hierzu auch Cohen 2012, 116). Der auf der Marke formulierte Text "Ordonnance de Villers-Cotterêts 1539 Le français devient la langue écrite officielle" ist sowohl in sprachwissenschaftlicher als auch in typographischer Hinsicht schwierig. Inhaltlich suggeriert er, dass mit der Ordonnance die Geburtsstunde des Französischen als geschriebene Sprache in allen offiziellen Bereichen - nicht nur in der Verwaltung und Jurisprudenz - gemeint sei; typographisch ist die Tatsache deshalb als prekär zu klassifizieren, weil der in, dem Originaldokument nachempfundener, Frakturschrift gehaltene Textbaustein "Le français devient la langue écrite officielle" durch die gewählte Schrifttype den Anschein erwecken könnte, dass es sich hierbei um ein wörtliches Zitat aus der Ordonnance handelt, zumal darunter eine faksimilierte Wiedergabe des Namenszuges "Francoys" zu finden ist. In ähnlicher Weise ahistorisch argumentierte übrigens die spanische Post mit einer Briefmarke von 1977 an den sprachhistorischen Gegebenheiten vorbei, als sie kurzerhand die Glosas Emilianenses als das erste Dokument des Spanischen - oder sprachhistorisch noch verquerer des Kastilischen - deklarierte, wenn vom "Milenario de la lengua castellana" gesprochen wird.

Mit einem ähnlichen Fall von zumindest teilweiser sprachhistorischer Fehlinterpretation haben wir es aktuell auch in Frankreich zu tun:

480 Jahre nach dem berühmten königlichen Erlass durch Franz I. ist der 10.000-Seelen-Ort Villers-Cotterêts, in der ehemaligen Grafschaft Valois gelegen, die der Herrscher aus dem Haus Valois Franz I. in die französische Krondomäne eingliederte, im Frühjahr 2019 (wieder) in den Blick der französischen Öffentlichkeit gerückt. Nach einer bewegten Geschichte waren die letzten Jahre für das Château François Ier – wie es von den Einheimischen genannt wird, um es von dem zweiten Schloss im Ort, Château Noüe, dem Geburtshaus von Alexandre Dumas, zu unterscheiden – keine guten Jahre. Um das Jahr 1530 wurde von dem passionierten Jäger Franz I. ein Umbau der bestehenden Domäne und der Neubau eines Jagdschlosses nahe des mehrere Tausend Hektar großen wildreichen Forêt de Retz in Auftrag gegeben; Heinrich II. ließ von dem in Italien geschulten Architekten Philibert Delorme weitere Um- und Neubauten ausführen. Das Second volume des plus excellents Bastiments de France von Jacques Androuet du Cerceau (1579), Katharina von Medici gewidmet, führt uns die Größe und einstige Pracht des Schlosses in Plänen und Ansichten vor Augen. Seit seinen letzten großen Sternstunden unter Monsieur, dem Bruder Ludwigs XIV., in dessen Besitz es war und seit den Feierlichkeiten anlässlich der Übernachtung Ludwigs XV. auf dessen Weg zur Krönung in Reims 1722, verkam das Schloss zunehmend. 1808 wurde es zu einem der dépôts de mendicité14 des Seine-Départements umgewandelt und beherbergte während 80 Jahren Arme, Obdachlose, Bettler und Prostituierte, die man aus den Straßen von Paris hierher brachte. Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts diente es zunächst als maison de retraite für bedürftige Alte aus Paris, dann bis 2014 als Altenheim. In den letzten Jahren verfiel das Gemäuer und ist heute in keinem sonderlich guten Zustand – Rettung ist allerdings in Sicht: Emmanuel Macron will aus dem Schloss ein Zentrum für Frankophonie machen und den symbolträchtigen Ort des Edikts von 1539 neu beleben, ihn quasi erneut in den Dienst der französischen Sprache stellen. Das Medienecho zu den Plänen des Präsidenten war groß, einige Ausschnitte aus dem Pressepanorama seit Frühjahr 2017, als die Pläne Macrons bekannt wurden, sollen dies verdeutlichen:

Es begann mit dem folgenden Post Macrons auf Twitter vom 17. März 2017: "Je m’engage à rouvrir le château de Villers-Cotterêts. Nous en ferons l’un des piliers symboliques de notre francophonie" – interessant ist hier neben der Wortwahl Macrons (rouvrir, pilier symbolique) vor allem auch die Verwendung der Pronomen (präsidentielles je, persönlicher Einsatz des Präsidenten/Macrons vs. kollektives nous/notre, das eine gemeinsame Anstrengung impliziert). Am 20. März legte Macron dann mit zwei Tweets nach. Der erste: "Villers-Cotterêts est la ville de naissance d’Alexandre Dumas. C'est la ville de l'édit de François 1er sur la langue française. Son château tombe en ruines." Es lassen sich zwei interessante Dinge beobachten: zum einen die thematisch-rhematische Abfolge Dumas - François 1er. Macron scheint davon auszugehen, dass der Verfasser der Drei Musketiere dem Adressatenkreis seines Tweets bekannter ist als das Edikt von 1539. Zum anderen die Erklärung zum Edikt, das – ähnlich der Briefmarke von 1989 - als Edikt über die französische Sprache propagiert wird… Der zweite Tweet lautet: "Nous allons le transformer en laboratoire de la francophonie. Ce sera un lieu d'échanges, de création, d'écriture, de spectacle, de résidences d’artistes. Il apportera un élan nouveau à un territoire qui doit retrouver l'espoir et l'esprit de conquête." Hier fällt vor allem der kämpferische Duktus im zweiten Teil der Nachricht auf: die französische Sprache, die Francophonie seien, so die Aussage Macrons, ein Territorium, das durch Hoffnung und Kampfgeist beflügelt werden müsse… diese Wendung findet sich auch sonst häufig im Sprachgebrauch des Präsidenten (vgl. Mon contrat avec la Nation: "Pour renouer avec l’esprit de conquête français je veux passer un contrat avec la Nation, un contrat de droits, de devoirs et de responsabilités."). An diesen beiden Nachrichten entspinnt sich dann ein heftiger Schlagabtausch zwischen Befürwortern und Gegnern des Macron-Projekts.

Im Herbst 2018 wird ein Fernsehbeitrag ausgestrahlt, der Macron im Herbst 2018 bei seiner "visite du château tenue secrète jusqu'au dernier moment" zeigt; einen entschlossenen Macron, der eine Entscheidung im Fall Villers-Cotterêts herbeiführen wolle, eine Entscheidung, die Schloss und Stadt gleichermaßen zu Gute komme. Macron, so wird im Beitrag deutlich, sei "très frappé par la grande beauté des décors qui subsistent, mais il a été aussi frappé par l’état de misère dans lequel le reste est plongé", - kurz: es gehe darum, die Rettung dieses "éclopé du patrimoine" in die Wege zu leiten:

Im Frühjahr 2019 werden weitere Schritte publik und entsprechend reagiert die Presse – zumeist positiv - darauf:

Emmanuel Macron a présenté ce mardi une trentaine de mesures pour renforcer "la place et le rôle" de la langue française et du plurilinguisme dans le monde. Parmi ces mesures, le président souhaite faire du château de Villers-Cotterêts un "laboratoire de la francophonie". […] Il y a tout juste un an, Emmanuel Macron était en visite à Villers-Côtterêts pour annoncer ses ambitions... Aujourd'hui, c'est donc confirmé: le président veut placer la cité d'Alexandre Dumas au cœur de la francophonie dans le monde. Car c'est là que le français fut choisi comme langue officielle de l'administration en 1539. "Le lien entre le château de Villers-Cotterêt [sic] et la langue française est un lien très fort, et c'est d'abord là-dessus que l'on va s'appuyer. Car la langue c'est le premier de nos patrimoines, un bien très précieux qu'on doit faire fructifier", estime Jean-Baptiste Lemoyne, secrétaire d'Etat auprès du Ministre de l'Europe et des Affaires étrangères. […] Bettina Caignault est présidente de l'association du château de Villers-Cotterêts. Elle salue "un grand moment". "Je pense que si le château pouvait parler, ce serait le plus beau jour de sa vie depuis plus de deux siècles. Les amoureux du château et de Villers doivent être extrêmement heureux aujourd'hui." […] Car c'est le château de la ville qui doit devenir "un laboratoire de la francophonie". Comprenez un "lieu de débats, des recherches, de pédagogie, de résidence d'artistes, de découverte, de création, d'écriture, de spectacle", selon les déclarations du président Emmanuel Macron. Mais pour ceux qui ne le savent pas, le château, propriété de l'État, est au bord de l’effondrement et muré aux deux tiers... […] Au moins 200 millions d’euros seront nécessaires pour remettre en état les 23 000 mètres carrés de la bâtisse. Le maire Franck Briffaut se dit prêt à mettre la main à la pâte. "L'essentiel est de mettre le projet en réseau. Nous souhaitons accompagner ce projet localement l'arrivée de ce projet qu'il faudra brancher sur les réalités du territoire." Le défi à relever est audacieux pour la petite ville de l'Aisne face à plus de 270 millions de francophone [sic] répartis sur 5 continents. Le projet du château devra donc servir de grosse locomotive, avec une réalisation espérée pour 2022.(Vanier 2019)

Dabei soll im Zuge der Rettung des Château François Ier, in jenem "projet phare" (Mazou 2019), das Schloss einerseits zum Begegnungszentrum für ein Fachpublikum der französischen Sprache werden, andererseits zu einem Erlebnisparcours für den linguistischen Laien, in welchem das Französische und seine Geschichte erfahrbar gemacht werden sollen:

Le logis royal du XVIe siècle, situé dans la ville qui a également vu naître Alexandre Dumas, aura désormais vocation à accueillir des expositions, des débats, des résidences pour les artistes, chercheurs et institutionnels. Un espace de découverte de "toutes les cultures francophones", selon le vœu formulé par le président français. "La visite permanente – réservée au public – prendra la forme d'un parcours immersif sur l'histoire de la langue française jusqu'à l'émergence de la francophonie, présentée sur des supports numériques, explique à France 24 Valérie Senghor, directrice générale adjointe du Centre des monuments nationaux. Il s'agit davantage d'une expérience qu'un propos didactique. Elle permettra au visiteur de déambuler dans les différentes pièces du château. C'est une initiative unique en son genre. (Mazou 2019)

Dies hatte Macron bereits bei seinem 'Antrittsbesuch' in Villers-Cotterêts im September 2018 und der anschließenden Kaffeepause – im thematisch passenden Rahmen, dem Café La Française – deutlich gemacht. Bei dieser Gelegenheit sagte er über das Projekt: "[…] on veut à la fois acueillir des artistes, des intellectuels sur la langue, acueillir des visiteurs et donc rouvrir le château à la ville et derrière à la forêt et puis permettre aussi d'avoir un projet d'accueil de visiteurs, de voyageurs pour redonner une dynamique touristique."

Dass die Pläne Macrons in Frankreich jedoch nicht nur auf Gegenliebe stoßen, überrascht wenig – kritische Stimmen werden sowohl sehr offenkundig in den sozialen Netzwerken als auch zwischen den Zeilen der Berichterstattung laut:

Joyau de la Renaissance, au bord de l'effondrement et muré aux deux tiers, le château de Villers-Cotterêts (Aisne) est devenu la pierre angulaire de la politique patrimoniale d’Emmanuel Macron. C’est là que le président de la République, en septembre 2017, a officiellement donné à Stéphane Bern ses lettres de mission. C’est aussi là, dans ce pavillon de chasse de François Ier où fut dictée l’ordonnance royale faisant du français la langue des textes officiels, que le chef de l’Etat souhaite bâtir les bases d’un haut lieu de la francophonie. Mais le chantier est énorme: 200 millions d’euros au bas mot seront nécessaires pour remettre en état ces milliers de mètres carrés. L’Etat ne peut y arriver seul. La perspective aurait, dit-on, fait grincer à la direction du patrimoine du ministère de la culture: «Oh! La folie des grandeurs du président, on s’en fout.» Ce qui a été répété. De fait, l’Elysée a repris la main sur le dossier. A la manœuvre, Philippe Bélaval, le directeur du Centre des monuments nationaux, a en tout cas planché sur un large projet. C’est lui qui devrait prendre en charge la partie muséale. Mais il y a aussi le centre de la francophonie, des résidences d’artistes, un hôtel… pour lequel est envisagé un opérateur privé, dans le cadre de ces partenariats public-privé, aujourd'hui privilégiés par l’Etat. Emmanuel Macron devrait annoncer son projet pour Villers-Cotterêts à l’occasion de la Journée internationale de la francophonie, le 20 mars.(Carpentier 2018)

Doch nicht allein die baulichen Maßnahmen und ihr nicht gerade bescheidener finanzieller Rahmen führen zur Skepsis darüber, ob das ehrgeizige Projekt jemals umgesetzt werden könne, auch die Tendenz Macrons zur Selbstglorifizierung wird kritisch gesehen und ruft in Zeiten der gilets jaunes die Kritiker und Zweifler auf den Plan. Diese Unzufriedenheit – Tenor: sozialer Wohnungsbau statt Schlossrenovierung - lässt sich massiv in den sozialen Medien nachlesen, aber auch verhaltenere Kritik lässt sich in der Presse ausmachen:

Das Schloss, das Francois [sic] I. vor rund 500 Jahren im nordfranzösischen Villers-Cotterêts errichten ließ, scheint dem Volk noch immer bedeuten zu wollen: Frankreich ist ein großes, ein mächtiges Land. Der heutige Regent des Landes weiß monumentale Größe ebenfalls zu schätzen. Staatschef Emmanuel Macron setzt auf die Kraft der Symbole. Er macht Politik nicht nur, er inszeniert sie auch. Und er hat Großes vor. Eingebunden in ein starkes Europa soll Frankreich sich der Welt öffnen, den Herausforderungen der Globalisierung stellen, den Großmächten Paroli bieten. Das ist Macrons Botschaft. Und wo ließe sie sich besser verkünden als in einem grandiosen Schloss? Kaum im Amt, lud Macron Moskaus Staatschef Wladimir Putin nach Versailles ein, schritt mit ihm durch die Gemächer des Sonnenkönigs. Später empfing der Franzose dort die Wirtschaftsführer dieser Welt. "France ist back", Frankreich ist wieder da, eröffnete der Staatschef vor 140 im Palast versammelten Spitzenmanagern und ermutigte sie zu Investitionen. Und der Präsident hat nachgelegt, das Augenmerk auf ein weiteres Schloss gelenkt – jenes von Villers-Cotterêts eben. Auf dem flachen Land, wo sich nicht wenige Franzosen vom Fortschritt abgehängt fühlen, ihr Heil in nationaler Abgrenzung suchen, verordnet der Staatschef Weltläufigkeit. Das Schloss soll als Zentrum der Frankophonie Furore machen, der französischsprachigen Welt. Der 11 000 Einwohner zählende Ort ist auserkoren, als Mekka französischsprachiger Künstler, Literaten oder auch Professoren globale Bedeutung zu erlangen. Ob Belgier, Schweizer, Marokkaner, Senegalesen, Haitianer oder Kanadier – wer der Sprache Molières huldigt, darf in der nordfranzösischen Provinz auf eine Heimstatt hoffen. Eines Tages könne das Französische das Englische als Weltsprache ablösen, hat Macron hinzugefügt. […] Es ist ja auch ein geradezu tollkühner Plan, den der Präsident verfolgt. Das aus der Ferne grandios wirkende Schloss, erweist sich aus der Nähe betrachtet als Ruine. Die Tore sind verriegelt. Die Dame am Schalter der Touristeninformation winkt ab. Besucher dürften die einsturzgefährdeten Gebäude allenfalls in Begleitung eines Sicherheitsexperten betreten, sagt sie. Und so verlockend die Vision einer frankophonen Weltgemeinschaft auch anmutet – sie vermag nicht darüber hinweg zu täuschen, dass es bereits vor der eigenen Haustür an sozialem Zusammenhalt fehlt. Die sich durch Frankreich ziehenden gesellschaftlichen Risse, die Kluft zwischen Gewinnern und Verlierern der Globalisierung zumal, sie öffnet sich auch in Villers-Cotterêts. […] In der Parteienlandschaft steht schon jetzt kein Stein mehr auf dem anderen. Wie im Rest des Landes stecken Konservative und Sozialisten auch in Villers-Cotterêts in der Identitätskrise. Von der politischen Mitte aus nach rechts und links ausgreifend, hat Macrons LREM den ehemals großen Volksparteien angestammtes Terrain streitig gemacht, ihnen Führungspolitiker abgeworben. In Villers-Cotterêts gehen die Verwerfungen noch weiter. Dort scheinen auch die Rechtspopulisten des Front National (FN) in den Sog des weltoffenen Erneuerers geraten. Der die Geschicke der Stadt seit 2014 bestimmende FN-Bürgermeister Franck Briffaut (60) hat dem Staatschef offen Anerkennung gezollt. Die Frankophonie zu fördern, sei eine tolle Sache, hat Briffaut wissen lassen. Macron meine es ehrlich. Und die Markenzeichen des Front National, die nationale Nabelschau, die Fremdenfeindlichkeit? Wenn der Bürgermeister dazu neigt, zeigt er es nicht. […] Dass der Bürgermeister Macrons Pläne begrüßt, heißt indes nicht, er wäre von ihrem Gelingen überzeugt. Wie viele Mitbürger bekundet auch er Zweifel. "Mir kommt das vor wie eine Herzverpflanzung", sagt Briffaut. Dass das neue Organ anwachse, sei alles andere als sicher. Er befürchte, das Ganze werde in einer riesigen Enttäuschung enden. Dass der Front National von ihr profitieren würde, sagt er nicht.(Veiel 2018)

Schließlich 'hagelt' es kritische Reaktionen angesichts der Tatsache, dass Macron die Artikel 110 und 111 des Edikts wohl nicht richtig verstanden hat. Anlässlich eines Besuchs von Alexandre Dumas' Schloss von Monte-Cristo im September 2017 erklärt er zusammen mit dem Fernsehjournalisten Stéphane Bern, dem Verantwortlichen für die mission du patrimoine, deren Ziel die Rettung verfallender französischer Kulturgüter ist, einer Schulklasse die (vermeintliche) Bedeutung von Villers-Cotterêts. Während Bern die sprachhistorische Bedeutung einigermaßen korrekt wiedergibt, legt Macron noch eine Schippe drauf: ihm zufolge sei das Edikt von Villers-Cotterêts der Grund dafür gewesen, dass heute alle Menschen in Frankreich Französisch und nicht mehr patois sprechen.

 

 

Protokollieren wir kurz das Gesagte in Ausschnitten:

S. Bern: "François Ier a signé cette ordonnance […] qui fait du français la langue officielle."  Bis hierhin ist alles korrekt. Dann eine erste Abweichung von den historischen Tatsachen, die im gedanklichen Kurzschluss nicht unproblematisch ist und der daran anschließenden Argumentation Macrons den Weg bereitet: "Donc si nous parlons tous le français, c’est grâce à l’ordonnance de Villers-Cotterêts. Donc cette ville est très emblématique, très importante."

E. Macron: "Le château est très très important parce que en fait vous êtes, on est tous Français alors qu’on parlait souvent des patois un peu différents. Et notre pays il s’est fait par la langue. Parce que à ce moment dans le château le roi a décidé que tous ceux qui vivaient dans son royaume devaient parler français."

Neben der hier vorgeführten Sprachgeschichtsklitterung weist die Aussage Macron als einen invertiert teleologisch argumentierenden Anhänger eines postmodernen Sprachjakobinismus aus: Hier wird zum einen das Prinzip sprachlichen Abstands ad absurdum geführt und die unter linguistischen Kriterien absolut unhaltbare Denkweise der Revolutionäre ('Ce qui n’est pas français national est un patois') übernommen – Barère ("Le fédéralisme et la superstition parlent bas-breton; l'émigration et la haine de la République parlent allemand; la contre-révolution parle l'italien, et le fanatisme parle le basque. Cassons ces instruments de dommage et d'erreur." Barère de Vieuzac 1794) und die Lois Ferry klingen an… Zum anderen wird das zum Klischee gewordene Bild einer, man ist versucht zu sagen: sakrosankten Union von erfolgreichem Nationalstaat und einheitlicher Nationalsprache bedient – was angesichts des Europagedankens mit einer praktizierten Mehrsprachigkeit über die Staatsgrenzen hinaus doch mehr als befremdlich erscheinen mag.

Ziehen wir Bilanz. Sowohl Franz I. als auch Macron hatten und haben symbolhafte, vielleicht auch visionäre, Projekte. Was die Volkssprache in der Verwaltung Frankreichs für den einen war, ist die Kampfansage des Französischen gegen die Anglophonie. Nutrisco et extingo auf der einen Seite, der esprit de conquête auf der anderen. Devisen und Embleme: Was für den französischen König der Renaissance, für den Roi-Chevalier, der Salamander, mit all seinen mythisch-mystischen Konnotationen war, das ist – freilich in einer modernen Variante – Schloss und Edikt von Villers-Cotterêts für den aktuellen Präsidenten der Republik. Vielleicht ein Stück Unsterblichkeit für beide. Und so wie die Könige Frankreichs nach politischer wie kultureller Verstetigung trachteten, so auch die französischen Präsidenten: Pompidou und sein Centre gleichen Namens (1977), Mitterrand und seine zahlreichen Bauten (Opéra Bastille (1989), Pyramide du Louvre (1989), Grande Arche de la Défense (1989), Bibilothèque Nationale de France site François Mitterrand (1996)), Chirac und sein Musée des Arts premiers (2006), und – dies bleibt abzuwarten - Macron und sein Centre de la Francophonie. Die Bagger sind jedenfalls in der Picardie angerollt und 2022 soll das ambitionierte Projekt umgesetzt sein, rechtzeitig zur nächsten Präsidentschaftswahl. Einen treuen Begleiter hatten und haben sie alle an ihrer Seite, egal ob König oder Präsident: den Mythos. Ob er nun in Gestalt des vermeintlich unverwundbaren Salamanders, der Marianne oder eines wie auch immer gearteten, zurechtgestutzten oder neu beflügelten, kämpferischen génie de la langue française daherkommt. Die Projekte, die Mythen leben davon, dass sie propagiert, dass sie weitererzählt werden. Und für die magischen Kräfte des Salamanders wie für die Ordonnance als Geburtsstunde des Französischen als Nationalsprache der späteren Grande Nation gilt: se non è vero, è ben trovato!

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  • Lusignan 2012 = Lusignan, Serge (2012): Le français médiéval: Perspectives historiques sur une langue plurielle, in: Lusignan, Serge / Martineau, France / Morin, Charles Yves / Cohen, Paul, L’introuvable unité du français. Contacts et variations linguistiques en Europe et en Amérique (XIIe - XVIIIe siècle), Québec, Presses Universitaires de Laval, 5-107.
  • Mazou 2019 = Mazou, Aude (2019): La Cité de la francophonie à Villers-Cotterêts, le projet phare d’Emmanuel Macron, in: France24.com, 20.03.2019 (Link).
  • Oesterreicher 2007 = Oesterreicher, Wulf (2007): Mit Clio im Gespräch. Zu Anfang, Entwicklung und Stand der romanistischen Sprachgeschichtsschreibung, in: Hafner, Jochen / Oesterreicher, Wulf (Hrsgg.), Mit Clio im Gespräch. Romanische Sprachgeschichten und Sprachgeschichtsschreibung, Tübingen, Narr, 1-35.
  • Paradin 1557 = Paradin, Claude (1557): Devises Héroïqves, Lyon, Jean de Tournes et Guillaume Gazeau (Link).
  • Physiologus 1998 = Physiologus (31998): Physiologus. Naturkunde in frühchristlicher Deutung. Aus dem Griechischen übersetzt und herausgegeben von Ursula Treu, Hanau, Artia.
  • Pinon 2001 = Pinon, Pierre (2001): Dépôts de mendicité, in: Montandon, Alain (Hrsg.), Lieux d'hospitalité: hospices, hôpital, hostellerie, Clermont-Ferrand, Presses Universitaires Blaise-Pascal, 363-370.
  • Plinius 1881 = Plinius, Caius (1881): Die Naturgeschichte des Cajus Plinius Secundus. Ins Deutsche übersetzt und mit Anmerkungen versehen von Prof. Dr. G.C. Wittstein in München, vol. 2 (VII.-IX. Buch), Leipzig, Gressner & Schramm.
  • Plinius 1882 = Plinius, Caius (1882): Die Naturgeschichte des Cajus Plinius Secundus. Ins Deutsche übersetzt und mit Anmerkungen versehen von Prof. Dr. G.C. Wittstein in München, vol. 5 (XXVIII. – XXXII. Buch), Leipzig, Gressner & Schramm.
  • Poignant 2000 = Poignant, Bernard (2000): Langues de France: osez l’Europe!, Montpellier, Indigène éditions.
  • Polo 2009 = Polo, Marco (2009): Milione. Versione toscana del Trecento, Bologna, Zanichelli.
  • Principato 2014 = Principato, Aurelio (2014): Breve storia della lingua francese, Roma, Carocci.
  • Quenstedt/Renz 2018 = Quenstedt, Falk / Renz, Tilo (2018): Kritik und Konstruktion des Wunderbaren in den Otia imperialia (1214) des Gervasius von Tilbury, in: Stefanie Kreuzer / Uwe Durst (Hrsgg.), Das Wunderbare. Dimensionen eines Phänomens in Kunst und Kultur, Paderborn, Fink, 251-262.
  • Scheurer 1974 = Scheurer, Rémy (1974): Candida, Giovanni di, in: Dizionario Biografico degli Italiani, vol. 17 (Link).
  • Taveret 1997 [1958] = Taveret, Guy de (21997 [1958]): Attributs et symboles dans l’art profane. Dictionnaire d’un langage perdu, Genf, Droz.
  • Vanier 2019 = Vanier, Célia (2019): Aisne: Macron veut créer un ‚laboratoire de la francophonie‘ au château de Villers-Cotterêts, in: franceinfo 31 mars 2019 (Link).
  • Veiel 2018 = Veiel, Axel (2018): Ruine der Hoffnung, in: Frankfurter Rundschau, 15.02.18 (Link).
  • Walter 1988 = Walter, Henriette (1988): Le français dans tous les sens, Paris, Robert Laffont.
Der Begriff Devise soll hier im Sinne von Guy de Tervarent verwendet werden: "Réservant au mot devise sa signification courante d’inscription lapidaire, nous écrivons ‚devise‘ lorsqu’il s’agit d’une figure dont quelques mots expliquaient le sens et dont la personne qui l’avait choisie ornait ses vêtements, sa demeure ou prétendait s’en faire une règle de vie. Cette mode vit le jour, au XVe siècle, inspirée, semble-t-il, par les ordres de chevalerie. […] Lorsque les armées françaises passèrent en Italie, à la fin du XVe siècle, la mode gagna la péninsule, où elle fit fureur et fut poussée jusqu’au ridicule. Les Italiens appelaient ces ‚devises‘ ‚imprese‘, entreprises, parce qu’ils s’en targuaient dans leurs entreprises de guerre et d’amour." (Taveret 1997 [1958], 9f.)
"Wer in Pamphylien und dem gebirgigen Theile Ciliciens von einem Eber isst, der einen Salamander verschlungen hat, muss sterben […]. Auch Wasser und Wein, in welchen ein Salamander umgekommen ist, ja selbst, wenn er nur davon gesoffen hat, wird tödtlich." (Plinius 1881, 378) Zu einem differenzierteren Befund kommt Plinius im weiteren Verlauf seines Werks: "Unter allen giftigen Thieren ist der Salamander das scheusslichste; denn die übrigen beissen oder stechen doch nur jedesmal ein Individuum und überliefern nicht gleichzeitig mehrere dem Tode, nicht zu gedenken, dass sie, wie man angiebt, in Folge des Bewusstseins einen Menschen verletzt zu haben umkommen und nicht wieder zur Erde gelangen; der Salamander hingegen kann ganze Völker, wenn sie sich nicht vor ihm in Acht nehmen, tödten. Kriecht er nämlich auf einen Baum, so vergiftet er alles Obst, und tödtet die, welche dasselbe essen, durch seine erkältende dem Aconit nicht nachstehende Kraft. Ja, wenn er auch nur mit seinem Fusse ein Stück Holz berührt hat und man kocht damit eine Brotrinde, so wird diese zu Gift; fällt er in einen Brunnen, so wird das Wasser vergiftet; berührt sein Geifer irgend eine Stelle des menschlichen Körpers, selbst nur die äusserste Spitze des Fusses, so gehen am ganzen Leibe die Haare aus. Und dennoch wird ein so giftiges Geschöpf von einigen Thieren, z.B. von den Schweinen, ohne Nachtheil verzehrt, was beweist, dass hier jene Art von Zwietracht das Gift bezwingt. Es ist sehr wahrscheinlich, dass das Gift des Salamanders von allen Thieren, welche denselben fressen, vernichtet wird […]." (Plinius 1882, 106)
"Ich habe von Vielen erfahren, aus dem menschlichen Rückenmarke erzeuge sich eine Schlange [diese Vorstellung entstammt dem in Antike und Mittelalter verbreiteten Volksglauben, aus der Wirbelsäule von Verstorbenen würde im Verwesungsprozess eine Schlange entstehen, JH/SDS/DM]. Sehr viele Thiere, selbst vierfüßige, erzeugen sich auf eine verborgene, uns unbekannte Weise; so kommt der Salamander, ein Thier von der Gestalt einer Eidechse und sternartig gezeichnet, niemals anders als bei heftigem Regen zum Vorschein und verschwindet, wenn es wieder heiter wird." (Plinius 1881, 283)
"Er [der Salamander] ist so kalt, dass durch seine Berührung das Feuer, ebenso wie vom Eise auslöscht. Von dem milchartigen Schleime, der aus seinem Munde fliesst, gehen bei Berührung jeglichen Teiles des menschlichen Körpers alle Haare aus, die berührte Stelle selbst verändert die Farbe und hinterlässt ein Maal." (Plinius 1881, 283). Als Mittel gegen die enthaarende Wirkung des Salamanders preist Plinius das Schildkrötenblut: "Das Fleisch der Meerschildkröten mit dem der Frösche hilft vortrefflich gegen die Salamander; überhaupt ist kein Thier dem Salamander mehr zuwider als die Schildkröte. Durch das Blut stellt man die Haare auf Glatzen wieder her […]." (Plinius 1882, 221 f.)
"Wenn die Angabe der Magier, dass der Salamander das einzige Thier sei, welches das Feuer auslösche und daher bei Feuersbrünsten gute Dienste leiste, wahr wäre, so würde man längst in Rom die Erfahrung gemacht haben. Auch Sextius stellt die Richtigkeit dieser Angabe in Abrede; ferner sagt er, man mache den Salamander nach Entfernung der Eingeweide, Füsse und des Kopfs in Honig ein und benutze ihn so als ein Mittel zum Liebesreiz." (Plinius 1882, 106)
"Der Physiologus sagt vom Salamander, wenn er in den Feuerofen kommt, verlöscht der ganze Ofen; sogar wenn er in den Heizofen für das Bad kommt, löscht der Heizofen aus. Wenn nun die Salamander-Echse das Feuer durch ihre natürliche Anlage löscht, wie können jetzt noch Leute bezweifeln, daß die drei Jünglinge im Feuerofen [vgl. Daniel 3] keinen Schaden erlitten, sondern im Gegenteil den Ofen abkühlten? Denn es steht geschrieben [Jesaia 43,2]: "Und selbst wenn du durchs Feuer gehst, wird die Flamme dich nicht verbrennen." Schön spricht der Physiologus über den Salamander. Es ist beim Propheten Daniel eine bewundernswerte Geschichte geschrieben über die drei edlen Brüder, die wegen einer Verleumdung in den Feuerofen geworfen wurden, wie sie ein solches Loblied im Feuerofen sangen, daß man sie nur bewundern kann. Sie sind dessen würdig. Denn die heiligen Apostel [Apostelgeschichte 9, 40] haben Tote erweckt und größere Taten vollbracht als diese Gerechten, und Berge haben sie ins Meer versetzt [1. Korinther 13,2]." (Physiologus 1998, 60)
"Der Salamander ist ein ganz kalter Vogel, kälter als alle Vögel. Er wohnt im Feuer des Ätna, und dort zieht er seine Jungen auf und verbrennt nicht. Man jagt ihn auf folgende Weise. Der Jäger nimmt geeignetes trockenes Material, etwa Heu, und entzündet weit weg vom Ätna Feuer und legt eine gerade Spur, bis er ganz nahe ans Feuer kommt. Und das Material entzündet sich und wird vom Feuer verzehrt und macht so einen feurigen Weg. Und so folgen die Jungen dem Weg des Feuers, und wenn sie weit weg sind von dem ihnen vertrauten Feuer und wenn die Nahrung des Heus verzehrt ist, erlischt das Feuer, und da sie nicht mehr zur ihnen notwendigen Kraft des Feuers zurückkehren können, werden sie vom Jäger erjagt." (Physiologus 1998, 60 f.) Vgl. auch die mittelalterliche Rezeption, die ebenfalls zum Teil davon ausgeht, der Salamander – verstanden als Allegorie des Feuers – sei ein Tier in Vogelgestalt.
"[Gervasius] nennt […] die erstaunliche Eigenschaft des Salamanders, im Feuer zu leben und sich von diesem zu ernähren, obwohl das Feuer für gewöhnlich zerstörerisch wirkt. Der Salamander ist Teil der regelhaften Natur, weicht aber von ihrer gewohnten Ordnung ab: Feuer zerstört nicht, sondern ernährt. Das Beispiel ist von Augustinus übernommen [De civitate Dei XXI. 4]. Schriftautorität und hohes Alter der Information sind damit gegeben. Direkt im Anschluss erscheint das dritte Kriterium gesicherter Information: Gervasius selbst sah vor Kurzem in Rom einen Riemen aus Salamanderhaut, den der Kardinal Peter von Capua dorthin mitgebracht habe. Das etwas schmutzig gewordene Material wurde ins Feuer gehalten, und die Zuschauer konnten selbst sehen, wie es vom Feuer nicht nur nicht zerstört, sondern vielmehr gereinigt wurde […]. Gervasius fügt ein analoges Beispiel hinzu, das einen 'sicheren Beleg' dafür gibt, dass nicht alles, was brennt, auch verzehrt wird: die Berge Siziliens – gemeint ist der Vulkan Ätna. Vom Feuer dieser Berge gibt es alte Berichte, und man kann sich heute jederzeit davon überzeugen, dass sie immer noch brennen (und auch weiterhin brennen werden). Nach diesem aktualisierenden, staunenmachenden und zugleich Beweise liefernden Beispiel schließt Gervasius wieder an die Augustinus-Stelle an und nennt als weiteren Beleg, dass auch die Seelen durch Schmerz nicht verzehrt werden, weil sie unsterblich sind. Das Wunderbare ('mirabile') wird hier als Signum Gottes verständlich zu machen versucht und damit in die Nähe des Wunders ('miraculum') gerückt. Die Bildung einer Analogie zwischen der Unsterblichkeit der Seele und der Feuerresistenz des Salamanders beglaubigt diese nicht nur, sondern lässt überdies verbreitetes theologisches Wissen […] im Lichte des Wunderbaren erscheinen. Dieses Wissen wird dadurch selbst ‚mirabilisiert‘." (Quenstedt/Renz 2018, 257 f.)
"Quivi àe montagne ove à buone vene d‘acciaio e d'andanico; e in queste montagne è un'altra vena, onde si fa la salamandra. La salamandra nonn-è bestia, come si dice, che vive nel fuoco, ché neuno animale puote vivere nel fuoco; ma dirovi come si fa la salamandra. Uno mio compagno ch'à nome Zuficar – èe un Turchio – istede in quella contrada per lo Grande Kane signore III anni, e facea fare queste salamandre; e disselo a·mme, e era persona che·lle vide assai volte, e io ne vidi de le fatte. Egli è vero che quella vena si cava e stringesi insie[me] e fa fila come di lana; e poscia la fa seccare e pestare in grandi mortai di covro; poscia la fanno lavare e la terra sì·ccade, quella che v'è apiccata, e rimane le file come di lana; e questa si fila e fassine panno da tovaglie. Fatte le tovaglie, elle sono brune; mettendole nel fuoco diventano bianche come nieve; e tutte le volte che sono sucide, si pongono nel fuoco e diventano bianche come neve. E queste sono le salamandre, e l'altre sono favole. Anco vi dico che a Roma à una di queste tovaglie che 'l Grande Kane mandò per grande presenti, perché 'l sudario del Nostro Signore vi fosse messo entro." (Polo 2009, 92 f.)
Knecht zufolge hatte Franz' Mutter, Louise de Savoie, die Medaille in Auftrag gegeben.
"Nel 1503 eseguì le medaglie con i ritratti di Pierre Briçonnet e di Thomas Bohier. Nel medesimo tempo sembra che egli avesse legato le sue sorti alla casa di Valois-Angouléme [sic]. Le sue ultime opere sono le medaglie del futuro Francesco I, di Luisa di Savoia e di Margherita d'Angoulême, datate al 1504. Dopo quest'anno non si hanno più sue notizie." (Scheurer 1974)
"Concernant François Ier, la salamandre, rapprochée du serpent, a aussi un sens dynastique: elle a été rapprochée de la guivre figurant sur les armes des Visconti, dont le roi affirmait avoir hérité le duché de Milan. La salamandre a également été mise en relation avec un autre emblème des Visconti: un lion entouré de feu, tenant une épée et deux seaux d’eau, susceptibles de permettre au lion d’éteindre le feu comme le fait la salamandre. Celle-ci évoque également la famille maternelle du roi: ainsi, son grand-père Philippe, comte de Bresse et duc de Savoie, avait-il adopté l’emblème d’un serpent changeant de peau. Elle est aussi souvent représentée avec une queue qui forme un nœud en forme de huit, image là encore traditionnellement associée à la maison de Savoie." (Astier 2016). Der menschenfressende oder aber -gebärende Biscione der Visconti taucht auch im Wappen von Franz’ Vater Charles d'Angoulême auf, der ein Enkel der Valentina Visconti und ihres Gatten Ludwig, Herzog von Orléans und Graf von Blois, aus dem Hause Valois war.
Mit den historischen Bedingungen und der varietätenlinguistischen Modellierung dieser Normierungsbemühungen haben sich zahlreiche Studien beschäftigt, vgl. u.a. Dessì Schmid/Hafner/Heinemann 2011, Grübl 2014, Haugen 1993, Kloss 1978, Koch 2010, Lodge 1997 und Lodge 2004, Lüdi 1990
Zum System der dépôts de mendicité im 18. und 19. Jahrhundert (Pinon 2001, 367): "Le constat est fait, à la veille de la Révolution, que l'existence de dépôts de mendicité […] n'a pas fait disparaître la présence de mendiants et de vagabonds dans les villes et les campagnes. Aussi, l'Assemblée Nationale Constituante décide-t-elle de supprimer l'institution et d'évacuer les dépôts. Théoriquement, car certains subsistèrent. Des mendiants furent reconduits aux frontières. Mais d'autres restèrent. En 1798, le Directoire concède l'entretien des dépôts restants à des entrepreneurs privés. La même année […], le ministère de l'Intérieur dresse la liste des 'travaux à établir dans les dépôts de mendicité'. Mais, Napoléon décide de revenir aux dépôts de mendicité d'État. Le décret du 5 juillet 1808, impose la création d'ateliers de charité et d'un dépôt de mendicité dans chaque département. L'ouverture de 59 dépôts est décidée, dont celle de 37 établissements est rapidement effective. La circulaire du 19 décembre 1808 établit un programme modèle et un certain nombre de normes. Chaque dépôt se composera de quatre divisions ou départements, pour les hommes, les femmes, les garçons et les filles. Chaque division possèdera son atelier, son promenoir, sa salle de bains. Deux infirmeries recevront les hommes ou les femmes. Il y aura des salles spécialisées et isolées pour les vénériens, les galeux et les 'personnes attaquées de folie'."
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